Wenn zu hohe Erwartungen Beziehungen (zer)stören
- marionhoeft

- 5. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Die Erwartungen sind häufig hoch, sehr hoch und vor allem an die anderen. Die Kinder sollen später mal Doktor oder gleich Professor werden und der Partner / die Partnerin soll uns glücklich machen und uns alle Wünsche von den Augen ablesen. In den manchmal viel zu hohen Erwartungen gefangen, wird sich der Realität verweigert. Entspricht der Nachwuchs nicht den Erwartungen der Eltern und tut sich bei Mathe oder Latein schwer, gibt es statt Freizeit Nachhilfe. Das Kind soll es mal besser haben, so die Ausrede, die die wahren Stärken des Sprößlings ausblenden. Auch das Umfeld ist schnell mit Diagnosen zur Stelle und unterstellt eine Lernschwäche oder vermutet ADS. Vielleicht aber wäre der Sohn ein begabter Handwerker oder die Tochter hat ihre Stärken im künstlerischen Bereich. Stattdessen wird die Kindheit häufig weggepaukt und das Kind mit den viel zu hohen Erwartungen der Eltern und Gesellschaft überfordert. Der Partner oder die Partnerin hat bereits zu Beginn Ecken und Kanten und entspricht nicht ganz den Vorstellungen des lang ersehnten Lieblingsmenschen? Statt den Menschen an seiner Seite zu akzeptieren wie er ist wird sich eingeredet, den ausgesuchten Menschen schon „hinbiegen“ zu können. Meist jedoch stellt sich nach einiger Zeit das böse Erwachen ein. Der Umerziehungsplan geht nicht auf und eine große Enttäuschung macht sich breit. Die Aussicht auf eine Professur seines Kindes schwindet mit jeder teuer bezahlten Nachhilfestunde. Statt zu lernen wird das Kind quengelig oder gar verhaltensauffällig. Der einstige Traumpartner oder Traumpartnerin will sich trotz aller liebevoller Bemühungen nicht ändern und pflegt entgegen aller „Erziehungsmaßnahmen“ die alten Gewohnheiten und nervt nur noch. Statt liebevoller Stunden zu zweit ist Streit angesagt, meist wegen Kleinigkeiten. Die Enttäuschung ist groß und eine Trennung steht an. Die hohen Erwartungen haben alle Beteiligten überfordert und maßlos enttäuscht. Auch an die Hunde sind die Erwartungen hoch. Lieb sollen sie sein: zu Kindern, zu anderen Hunden und überhaupt zu allen Menschen. Gehorchen sollen sie aufs Wort und ihren Menschen stets treu zur Seite stehen. Erfüllt der Hund diese hohen Erwartungen seines Menschen nicht, muss er in die Schule. Lernen soll er Grundgehorsam, brav an der Leine zu laufen, sein Wachen und Schützen abzulegen und sein Bellen kann man auch gleich abtrainieren. Beflügelt werden die enormen Erwartungen durch unzählige Onlinevorführungen perfekt funktionierender Hunde, Nachbarn und Freunde reden einem auch ständig irgendetwas ein und regelmäßig führen Fernsehhundetrainer vor, wie leicht doch die Hundeerziehung ist. Kurse werden für alle vermeintlichen Probleme angeboten und nichts scheint einfacher, als einem Hund alles hündische abtrainieren zu können. Dass alle Bilder und Videos nur die perfekten Momente darstellen wird gern übersehen. Ebenso, dass auch bei diesen Leuten nicht immer alles so perfekt abläuft wie dargestellt wird. Wer will sich auch als fehlerhafter Mensch darstellen, bringt dies doch keine Klicks und Likes oder Werbepartner. Nichts und niemand ist perfekt und Missgeschicke passieren - Jedem! Trotzdem müht sich der Mensch sich den, nach Meinung der anderen, perfekten Hund heranzuziehen, ihm Kommandos anzutrainieren und ihm Gehorsam beizubringen. Doch dieser Hund funktioniert nicht wie andere Hunde, er lernt langsamer oder hört erst beim dritten oder vierten Ruf und manchmal auch gar nicht. Angespornt durch die hohen Erwartungen wird weiter trainiert und erzogen, der Hund muss es doch mal kapieren und sofort aufs Wort hören - andere Hunde können es doch auch! In dieser Erwartungshaltung übersehen viele Menschen, dass nicht alle Hunde gleich sind, selbst wenn sie derselben Rasse angehören. Hunde sind Lebewesen mit verschiedenen Stärken, Schwächen und auch Kompetenzen. Wird dies nicht berücksichtigt, gerät das Mensch und Hund Gespann schnell in die Überforderung und viele Hunde reagieren z.B. mit verstärkter Unruhe, Unsicherheit und vermehrt auch mit Aggressionen. Viele Menschen übrigens auch. Viele Mensch-Hund-Beziehungen scheitern letztendlich an den häufig zu hohen Erwartungen der Menschen und schnell wird resigniert. DEN perfekten Hund gibt es nicht. Es gibt den perfekten Hund für jeden einzelnen Menschen, dieser muss mit seinem Hund klar kommen und nicht die Onlinewelt, die Nachbarschaft oder gar die Social Media Community. Manchmal reicht es aus, seine Erwartungen ein wenig runterzuschrauben und sein Gegenüber, egal ob Mensch oder Hund, als liebenswertes Lebewesen zu sehen so wie es ist und nicht wie man es gerne hätte. Auch so manche Schwäche des anderen kann man liebgewinnen oder lernen, diese zu akzeptieren. Im stürmischen Zeiten wie diesen mag solch eine Aussage momentan wie eine Utopie klingen. Wohin uns Besserwisserei, Rechthaberei und das offenkundige Leugnen von Fakten gebracht, können wir allerdings jeden Tag verfolgen. Egal ob Mensch und Mensch oder Mensch und Hund: Beziehungen sind niemals eine Einbahnstraße. Beziehungen beruhen auf Geben und Nehmen, auf Respekt und Akzeptanz. Beziehungen sind Ursache und Wirkung - immer. Wenn wir unsere Erwartungen ein wenig zurückfahren wird so manches einfacher, manchmal entspannter und einige Probleme können sich von selber lösen. Jede Veränderung beginnt in uns selbst. Eine kleine Änderung seines eigenen Verhaltens kann eine große Wirkung auf andere haben - auch auf unsere Hunde! „Spannet Eure Erwartung, Eure Meinung von Euren Freunden (Hunden) nicht zu hoch, so wird Euch ein menschlicher (hündischer) Fehltritt, den sie in Augenblicken der Versuchung begehen, nicht befremden, nicht ärgern.“ (Adolph Freiherr von Knigge). Wir alle tragen unseren besten Lehrmeister in uns, man nennt es Bauchgefühl oder auch Instinkte. Anstatt uns von einer wie auch immer programmierten „KI“ leiten zu lassen, sollten wir zuerst wieder lernen, auf unsere innere Stimme zu hören und dieser auch zu vertrauen. Dann würden vielleicht manche Probleme und auch Krisen, die uns allen das Leben unnötig schwer und teuer machen, gar nicht entstehen.
(Dieser Beitrag ist, wie alle meine Beiträge, frei von jeglicher KI. Ich denke selber, formuliere selber und mache auch meine Fehler selber ;) )
©️Marion Höft




