Wunsch des Menschen oder Wirklichkeit?
Kaum etwas erfreut das Menschenherz mehr, als mit Hunden zu spielen. Noch bevor der Welpe bei uns eingezogen ist, werden Fressnapf und Co. gestürmt und Hundespielzeug in allen Farben und Formen gekauft, das Angebot ist schier unendlich.
Kaum ist der Welpe da, werden Bälle geworfen, Kuscheltiere in Haus und Garten verteilt und Zerrspiele bis zur Erschöpfung des kleinen Hundes gespielt.
Ganz nebenbei wird noch Sitz, Platz, Bleib trainiert, eine Welpenspielgruppe besucht und das regelmäßige Gassi muss auch sein.
Schnell wird aus einem Welpen ein erwachsener Hund, doch der Traum eines ruhigen und ausgeglichenen Hundes hat sich nicht erfüllt. Der Hund kommt nicht zur Ruhe, fordert Beschäftigung ein. Lautes Aus, Nein, Pfui hat häufig zur Folge, dass der Hund anfängt, das Mobilar und oder auch das Haus zu zerlegen.
In dieser verzwickten Situation wird hilfesuchenden Hundehaltern oft gesagt, dass ihr Hund nicht ausgelastet sei und er deshalb auf „dumme Gedanken“ käme. Abhilfe schaffe hier nur mehr Beschäftigung. Ein fataler Irrtum!
In meiner Praxis erlebe ich sehr häufig, dass diese völlig überdrehten Hunde nicht mehr zur Ruhe kommen (können) und auch teilweise aggressiv die Jagd nach der Beute (Spielzeug) einfordern. Reagiert der Mensch nicht, wird auch geschnappt.
Eines haben diese Hunde nie gelernt - Ruhe und Entspannung!
Was bei all diesem Beschäftigungsirrsinn völlig unterschätzt wird, sind die gesundheitlichen Auswirkungen eines Hundes, der unter diesem Dauerstress steht.
Studien haben ergeben, dass unseren Hunden Schlaf sogar wichtiger ist als Nahrung.
Während dieser Studien wurden Hunde durch Geräusche von ihrem Schlaf abgehalten. Es hat sich herausgestellt, dass bei diesen Hunden innerhalb kürzester Zeit sämtliche Lebensfunktionen gestört waren.
Die Folgen des Schlafentzugs waren unter anderem schnellere Reizbarkeit, Aggressivität sowie schwere und chronische Erkrankungen.
Ein längerer Schlafentzug kann sogar zum Tod führen. Dasselbe gilt übrigens auch für uns Menschen. Man muss nur die zunehmenden Erkrankungen bei Mensch und Hunde beobachten und sich die Frage nach dem Warum, nach der Ursache stellen.
Hinzu kommt, dass eine Dauerbespaßung und die Hunde ständig auf Speed zu bringen nicht ungefährlich ist. Es ist erwiesen, dass ca. 90 Prozent der Beißvorfälle während des gemeinsamen „Spiels“ passieren. Besonders schockierend ist dies, wenn aus dem vermeintlichen (einseitigen) Spaß Ernst wird und der eigene Familienhund nach dem Nachwuchs schnappt und auch schwer verletzt. Viele Eltern verstehen dann die Welt nicht mehr und das Vertrauen in den Hund ist dahin und er muss weg, am besten sofort.
Haben unsere Hunde einen Spieltrieb? Nein! Aber sie haben einen ausgeprägten Jagd- und Beutetrieb! Was wir „Spielzeug“ nennen, ist für unsere Hunde schlichtweg Beute. Sei es nun der Ball oder was auch immer geworfen wird, ein Hund wird diesen hetzen, jagen, töten (reinbeißen) und nicht wenige Hunde fressen ihre Beute auch (zerreißen). Was der Mensch „Zerrspiel“ nennt, ist aus Hundesicht ein Kampf um eine Ressource, die Beute. Und wenn wir genau hinsehen und die rosarote Brille abnehmen, die uns aufgesetzt wurde, können wir auch sehr gut erkennen, was zwischen den Hunden oder auch Mensch und Hund wirklich stattfindet.
Wichtig ist den Hunden vom Welpenalter an ihre Ruhe- und Schlafphasen zu lassen, diese betragen bei Welpen 20 bis 22 Stunden, bei ausgewachsenen Hunden im Schnitt 18 Stunden pro Tag. Sollte der Hund nicht zur Ruhe kommen, so ist der Mensch gefordert, seinen Hund darin zu unterstützen.
Wer jetzt kopfschüttelnd auf diese Zeilen schaut, sollte bedenken, dass es Hunde sind mit ganz anderen Bedürfnissen und Veranlagungen als wir Menschen.
Viele Erkrankungen, die vor wenigen Jahren noch bei Hunden völlig unbekannt waren, haben in dieser Überbeschäftigung häufig ihren Ursprung.
Wir sollten uns auch fragen, ob wir nicht von einer äußerst geschäftstüchtigen Industrie in den „Spielwahn“ geleitet werden, denn schließlich wird mit der s.g. Auslastung“ sehr viel Geld verdient.
Ich möchte hier nicht das Spielen an sich mit dem Hund verteufeln. Gemeinsame Aktivitäten und Unternehmungen können eine Beziehung stärken. Wir sollten jedoch sehr darauf achten, dass unsere Hunde nicht „überdrehen“ und die Spielzeiten nicht ausufern lassen. Statt noch mehr Beschäftigung können Mensch und Hund auch mal gemeinsam ruhen.
Unsere Hunde sind unsere treuen Wegbegleiter und häufig auch unsere besten Freunde. Es liegt in unserer Verantwortung, mit ihren Bedürfnissen und Veranlagungen sorgsam umzugehen und sie als das zu sehen, was sie sind: Hunde!
Man kann andere nicht ändern, sondern nur sich selbst. Dies gilt auch im Umgang mit unseren Hunden bei denen weniger so viel mehr sein kann!
Und noch eine Bemerkung zum Schluß. Wer sich wundert, warum es an der Leine einfach nicht klappen will sollte sich fragen, ob nicht der Mensch die Ursache für die vermeintliche Leinenaggression ist. Vielleicht weil der der Hund völlig überdreht ist und gelernt hat, dass er alles jagen darf, was sich bewegt....
©️Marion Höft