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Der perfekte Hund

Aktualisiert: 13. Aug. 2023

Vielleicht ist es bereits unser Hund, weil er ist wie er ist und nicht weil er ist, wie er sein soll?

Hundetrainerin Marion Hoeft und ihre Herdenschuthunde
Marion Höft: der perfekte Hund

Immer mehr werden Mensch und Hund in den Perfektionismus getrieben – vorgegeben von einer mittlerweile milliardenschweren Industrie, die auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist und einer Gesellschaft, in der für Individualität kaum noch Platz ist.

Anders zu sein, wird selten toleriert und schnell wird man zum Außenseiter. Ein Mensch, der wagt auch mal Nein zu sagen gilt als schwierig, nicht selten wird er als Querulant eingestuft. Menschen, die dem sog. Mainstream nicht folgen, werden schnell Psychosen unterstellt oder ausgegrenzt.


Hunde, die die vom Menschen erfundenen Verhaltensnormen nicht kennen, gelten als Problemhunde. Hunde, die deutlich durch z.B. Knurren warnen, gelten als aggressiv und Hunde, die bellen sind störend.


Der Hund als bester Freund des Menschen? Ja – aber nur wenn er perfekt ist, wenn er aufs Wort hört und seine natürlichen hündischen Verhaltensweisen abgelegt hat. Wir aber nehmen uns nicht die Zeit, um die Sprache und die Welt unserer Hunde kennenzulernen.

Wir sollten uns alle wieder entspannen, dies würde unser Leben und das unserer Hunde erheblich entschleunigen und um ein Vielfaches an Lebensqualität erhöhen. So reicht es manchmal aus, wenn der gestresste Mensch die Leine seines Hundes lockerlässt und einmal tief durchatmet, damit der Hund entspannen kann.


Wir haben so viel Zeit. Doch anstatt diese gemeinsam mit unseren Hunden zu verbringen, gehen wir in diversen Geschäften auf Zubehöhrjagd. Das perfekte Hundebett oder Spielzeug muss es sein.

Wir verbringen viel Zeit auf Hundeplätzen, um unsere Hunde zu perfektionieren. Wir investieren so viel Zeit, um unseren Hunden Befehle beizubringen. Anschließend verbringen wir noch mehr Zeit, um diese Befehle zu üben und zu üben und zu üben, der Trainer hat es so gesagt.

Immer mehr Menschen verbringen immer mehr Zeit beim Schönheitschirurgen, um ihr Aussehen zu perfektionieren. Dieser Trend hat nun auch unsere Hunde erreicht. Viel Zeit wird investiert und keine Mühen und Kosten gescheut, um das Aussehen der Hunde zu optimieren. Kostendes was es wolle, den Preis zahlen die Hunde!

Was nicht passt wird passend gemacht, die Werbung hat es uns gesagt!


Bei alledem bleibt für das Wichtigste keine Zeit: Vertrauen und Bindung! Diese kann man weder kaufen noch trainieren. Dies muss sich der Mensch erarbeiten!


Ich jedenfalls will und brauche keine perfekten Hunde. Ich will keine perfekt funktionierenden Maschinen, die auf Kommando Befehle ausführen und jegliche Individualität verloren haben.

Ich rechtfertige mich nicht für das, was meine Hunde nicht können, ich liebe sie für das, was sie können. Meine Hunde müssen nicht auf Befehl Sitz und Platz ausführen. Das können sie auch ganz von alleine. Es ist für mich so viel mehr wert, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, wenn sie von selber meine Nähe suchen, mir die Verantwortung der Entscheidung übertragen, mir ihr vollstes Vertrauen schenken und entspannt neben mir einschlafen.


Anstatt unsere Zeit damit zu vergeuden, jedem Trend hinterherzuhecheln, sollten wir unsere Zeit nutzen, um unsere Hunde zu führen, statt zu trainieren, sie durch unsere Welt zu leiten und sie so sehen wie sie sind: vollkommen, aber nicht perfekt.

Wir sollten uns die Zeit nehmen, um von unseren Hunden zu lernen. Hunden ist es egal welche Kleidung wir tragen, ob unsere Nase schief ist, unser Gesicht Falten aufweist oder welche Zahl auf dem Kontoauszug steht, sie sehen den wahren Menschen hinter der nahezu perfekten Maskerade!

Eines jedoch haben wir gemeinsam: weder Mensch noch Hund sind perfekt und werden es auch niemals sein. Wer legt eigentlich fest, was gerade perfekt sein soll?


Doch im Gegensatz zu unseren Hunden können oder wollen wir dies nicht akzeptieren, nehmen wir uns nicht an, wie wir sind, sondern laufen der Illusion hinterher, uns optimieren zu können. Anstatt unsere Freizeit zu genießen und die Schönheiten dieser Welt zu erkennen, investieren unsere Energie und auch unser Geld in Versprechungen, nun endlich für die Außenwelt gut genug zu werden. Dazu aber muss unsere Aufmerksamkeit auf Äußerlichkeiten gelenkt werden und es werden ganz neue vermeintliche Probleme erfunden. Passt meine Handtasche zu meinen Schuhen, welches Auto macht mich glücklich oder mit welchem Smartphone wird die Kommunikation noch einfacher? Innere Werte? Unwichtig sagen all die Experten!


Dass immer mehr Menschen an psychischen Problemen leiden, wird nicht hinterfragt. Stattdessen wird nun auch Hunden eine Depression unterstellt, wenn er sich eine Pause von der Daueroptimierung nimmt und einige Stunden ruht.


Diesen Optimierungswahn haben wir auch auf unsere Hunde übertragen. Der Hund funktioniert nicht wie all die Ratgeber vorgeben und so wird er ins Training geschleppt. Ein Kurs folgt auf den nächsten und dem Hund wird alles austrainiert, was ihn eigentlich ausmacht. Er wird zu einem funktionalen Wesen ohne Persönlichkeit.


Erkennen wir, dass nichts und niemand dauernd optimiert werden muss und lassen wir unseren Hunden und auch uns ein Stück unserer Natürlichkeit, kann beiden Seiten so manche Enttäuschung und vor allem so manches Leid erspart bleiben.

Weniger kann so viel mehr sein, wenn man sich von den äußeren Einflüssen befreit und den Mut hat, seinen eigenen Weg zu gehen und wieder auf seine Instinkte zu vertrauen. Nehmen wir uns an, wie wir sind, können wir dies auch unseren Hunden zugestehen und so von beiden Seiten viel Druck nehmen.


So befreit von Druck und viel zu vielen äußeren Einflüssen, können wir ihn sehen: unseren perfekten Hund und können erkennen, wieviel uns unsere besten Freunde zu geben haben. Denn dann sehen wir mit dem Herzen und können unsere innere Stimme wieder hören und ihr vertrauen. Es ist die Stimme, die niemals lügt. Es ist die Stimme, der unsere Hunde vertrauen. Diese Stimme braucht keine Worte und schon gar keine Befehle.


©MarionHöft


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