Marion Höft
Hundetrainerin - Problemhundtherapeutin - Autorin
Hundetraining, Hundeschule, Seminare und Coaching für Mensch und Hund
Marion Höft
Hundetrainerin - Problemhundtherapeutin - Autorin
Hundetraining, Hundeschule, Seminare und Coaching für Mensch und Hund
Ausgepowert - In der Ruhe liegt die Kraft
Für Mensch und Hund
Ausgepowert - In der Ruhe liegt die Kraft
Für Mensch und Hund
Kaum steigen die Temperaturen, steigt auch die Verunsicherung vieler Menschen. Wie verhält man sich richtig oder auch nicht und vor allem, wie laste ich meinen Hund richtig aus, auch wenn es draußen warm und manchmal auch heiß ist.
Dass die Temperaturen steigen, ist kein neues Phänomen und schon gar kein Grund, um in blinden Aktionismus zu fallen. Wenn man sich mit der Geschichte befasst, erkennt man, dass es im Lauf der Evolution für Mensch und Tier immer wieder extreme Herausforderungen gab, die gemeistert werden mussten.
Dabei konnte der Mensch viel von den Tieren lernen, die sich vollkommen ihre untrüglichen Instinkte verlassen haben und die ihnen bis heute ihr Überleben sichern. Auch wir Menschen verfügen über diese Instinkte, man nennt es auch Bauchgefühl, die uns vor so manchem Unsinn und auch vor so manchen Gefahren nicht nur gewarnt, sondern auch bewahrt haben, sofern wir auf diese innere Stimme gehört haben.
Eine weitere Gabe, die uns mitgegeben wurde, ist die Gabe des Beobachtens. Besonders wenn wir die Dinge um uns herum beobachten, ohne uns etwas einreden zu lassen, können wir viel über das Leben an sich aber auch über uns lernen.
Als die Menschheit noch nicht dem immer Höher, Schneller und Weiter verfallen war, wussten sie, wie man mit den Herausforderungen der Natur umgehen muss. Wenn die Temperaturen steigen, meldet sich der Körper ganz von allein. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab und eine latente Müdigkeit macht sich breit. Aus den südlichen Ländern kennen so manche vielleicht noch die Siesta. Über die größte Mittagshitze legten sich die Menschen in den Schatten und ruhten für einige Stunden. Erst in den Abendstunden, als die Temperaturen auf ein erträgliches Maß sanken, gingen die Menschen wieder ihren Geschäften nach.
Dieser natürliche Rhythmus und auch Schutz unserer Gesundheit musste einer sog. Leistungsgesellschaft weichen. Es galt zu arbeiten und zu produzieren, um das Bruttosozialprodukt immer weiter wachsen zu lassen.
Meldeten sich die überanspruchten Körper und verlangten nach Ruhe, wurde dies mit Energydrinks oder immer mehr Kaffee ausgeblendet. Dass sich immer mehr Krankheiten breit machen, vor allem auch psychische, verwundert nicht. Der Mensch hat sich von seinen Instinkten und der Natur entkoppelt.
Hunde leben noch nach ihren Instinkten und wissen, was für sie gut ist und was nicht, ohne auch nur einen Ratgeber gelesen oder eine einzige Trainingsstunde absolviert zu haben. An unseren Hunden können wir sehr gut beobachten, was bei steigenden Temperaturen zu tun ist. Nämlich innezuhalten und einen oder auch zwei Gänge runterzuschalten, wann immer es geht.
So können wir z.B. beim Gassi sehr gut beobachten, wie unsere Hunde immer langsamer werden, wenn die Temperaturen steigen und so mancher Hund weigert sich, auch nur einen Schritt vor die Haustür zu gehen.
Und hier nimmt das „Drama“ seinen Lauf, für Mensch und Hund. Den Menschen hat man viele Jahre eingeredet, sie müssen ihren Hund auslasten und diese Auslastung wurde auf körperliche Beschäftigungsprogramme fokussiert. Ein Hund muss so und so lange laufen, beschäftigt werden und mindestens einmal Tag so richtig ausgepowert werden hört und liest man bis heute. Hintergrund solchen Unsinns ist der Irrglaube, dass die Hunde dann müde sind und lange schlafen.
Beobachten können wir aber genau das Gegenteil. Dauerbeschäftigte und ausgelastete Hunde sind meist vollkommen überdreht und können kaum noch zur Ruhe kommen. Ähnlich einem Drogensüchtigen hat man bei diesen Hunden den Adrenalinspiegel so hochgefahren, dass sie bei einem Absinken sofort auf Entzug sind und nach weiterer Beschäftigung verlangen. Den Menschen hat man erzählt, dass Hunde dieses Verhalten zeigen, weil sie so viel Freude haben, wenn sie Bällen hinterherjagen oder mit seinem Menschen um die Beute streiten, teilweise auch kämpfen. Die Fachwelt nennt es „zergeln“.
Besonders verrückt wird es, wenn man Menschen sieht, die ihre Hunde auslasten, indem sie sie selbst während der größten Mittagshitze neben dem Fahrrad herlaufen lassen. Wem bitte fällt so etwas ein und warum befolgt man solche „Ratschläge“? Weil sie von einem Experten kommen? Es sollte doch jedem klardenkenden Mensch bewusst sein, dass diese "Auslastung" der Inbegriff der Tierquälerei ist.
Wir Menschen können uns ein wenig unseres wärmenden Fells, genannt Kleidung, entledigen, Hunde aber nicht. Jeder Körper ist darauf ausgelegt, Temperaturen ausgleichen zu können.
Auch wenn es draußen noch so warm ist, können wir an uns wahrnehmen, welch enorm kühlende Wirkung Ruhe hat. Sobald wir abschalten und Siesta machen, fahren unsere Systeme runter und alles geht in die Entspannung. Ebenfalls lässt das Hungergefühl nach, weil der Körper kaum noch verbrennt. Gehen wir aber in die Beschäftigung, besteht in der Tat die Gefahr der Überhitzung.
Nichts anderes geschieht mit unseren Hunden. Wobei man bei Hunden generell ihr enormes Ruhebedürfnis von bis zu 20 Stunden am Tag berücksichtigen sollte. Auch dass ein Hund „augespowert“ werden muss, sollte man dringend überdenken. Dazu reicht es aus, Hunde einfach nur zu beobachten.
Hunde ruhen aber weder langweilen sie sich, noch tun sie nichts. Dies hat man den Menschen eingeredet. Hunde dösen, sie beobachten, sie wachen. Sie sind also aktiv allerdings mit ihren Sinnen. Manchmal bewegen sie sich von einem Fleck zu einem anderen, um dort sofort wieder in die Ruhe zu kommen. Wie man da auf die Idee kommt, dieses „Auspowern“ als Artgerecht anzupreisen, dürfte das Geheimnis der Marketingexperten bleiben.
Hunde würden niemals ihre Energie mit etwas derart Unsinnigem wie neben einem Fahrrad laufen oder einen Ball jagen vergeuden. Sie sammeln ihre Energien für das Allerwichtigste, für die Jagd. Denn Fressen sichert nicht nur ihr Überleben, sondern das ihres ganzen Rudels.
Wer seinen Hund „auspowern“ möchte und ihn vor allem artgerecht beschäftigen möchte, hat keine Mammut Aufgabe vor sich, sondern bekommt viele wunderbare Momente mit seinem Hund geschenkt die nichts kosten, keine Energien verschwenden und vor allem Mensch und Hund zusammenschweißt.
Für ein gemeinsames Erleben gehen Sie mit Ihrem Hund am besten in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend raus. Achten Sie dabei bitte auf das Verhalten Ihres Hundes. Viele Hunde sind während des Sommers gar nicht so erpicht auf lange Wanderungen. Ihnen reicht ein Abgehen des Reviers und die entsprechende Kontrolle, wer dieses Betreten hat. Schon bei dieser für viele Menschen unsichtbare Beschäftigung, lasten sich die Hunde aus, artgerecht.
Wenn die Hunde nicht raus wollen, dann lassen Sie ihnen bitte ihre Ruhe. Hunde wissen am besten, was wann für sie gut ist und was nicht und sie zeigen es uns ganz deutlich. Meist aber werden sie nur nicht verstanden.
Lassen sie Ihrem Hund seine Ruhe solange, bis er sich meldet. Gerne buddeln sich Hunde ein kühlendes Erdloch im Garten und kommen nur raus, wenn sie etwas trinken müssen. Während dieser Ruhezeiten fahren Hunde ihren Körper fast auf null was auch bedeutet, dass sie nicht zwingend jeden Tag ihr Portion fressen müssen. Bereits hier werden viele Menschen nervös. Das müssen sie nicht. Wenn wir uns kaum bewegen, verlangt auch unser Köper kaum nach Energie.
Gemeinsames Ruhen, gemeinsam die Stille zu genießen und gemeinsam die Wunder der Natur zu erleben kann so viel mehr zwischen Mensch und Hund bewirken, als alle Trainings- und Auslastungprogramme zusammen.
Beim gemeinsamen Ruhen und Kuscheln wird das Bindungshormon Oxytocin freigesetzt. Dieses Hormon spielt eine zentrale Rolle, wenn es um unser Wohlbefinden und somit um unsere Gesundheit geht. Dies sollte man wissen, bevor man Mensch und Hund anleitet, dem „Höher, Schneller, Weiter“ zu verfallen.
Viele Menschen müssen unabhängig von den Temperaturen ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch auch hier kann es schon hilfreich sein, wenn man auf seinen Körper hört und ein wenig langsamer macht. Auch ein Chef sollte ein großes Interesse an gesunden Mitarbeitern haben, die gerne für ihn arbeiten.
Wenn es warm und zuweilen heiß wird, wäre es eine gute Gelegenheit, sich und sein Leben wieder zu entschleunigen und der von außen vorgegebenen Dauerbeschäftigung zu entfliehen, das gilt auch für das Zusammenleben mit unseren Hunden.
Nicht die Aktivität schweißt zusammen und das sollten die „Experten“ eigentlich wissen. Die meisten Beißvorfälle, besonders mit Kindern, finden während den gemeinsamen Aktivitäten statt.
Nicht umsonst sagten unsere Vorfahren „In der Ruhe liegt die Kraft“ und legten sich in den Schatten, um Siesta zu halten. In der Zwischenzeit hielten die Hunde Wache, indem sie sich ebenfalls ein schattiges Plätzchen suchten, aber dennoch immer auf Empfang und somit ausgelastet waren. Allerdings artgerecht.
Schalten wir wieder runter und auch mal ab dann erkennen wir, wieviel mehr weniger sein kann!
Haben Sie einen schönen Sommer und lassen Sie sich bitte nicht verrückt machen. Die Menschheit hat bis heute ohne all die Experten überlebt und sie wird es auch weiterhin, wenn sie wieder auf ihre Instinkte und ihr Bauchgefühl achtet und nicht über jedes Angsstöckchen springt, welches ihr dargeboten wird. Und lassen Sie nicht einreden, Sie seien faul, genau das Gegenteil ist der Fall. Auch der Mensch muss mit seinen Ressourcen sorgsam umgehen. Der eine eben langsamer und bedächtiger, während ein andere ein anderes Tempo gehen kann.
Das Leben ist schön, besonders mit Hund. Gehen wir hin und genießen es, indem wir wieder auf unseren Bauch hören, der uns niemals belügt aber dafür sorgt, dass wir die Herausforderungen des Lebens meistern können.
©Marion Höft