
Dominanz - ein häufig missbrauchter Begriff!
Wir Menschen haben uns unseren eigenen Umgang und Sichtweise mit der Dominanz zurechtgelegt. Nicht selten setzen wir Dominanz mit Macht gleich und üben Druck von oben nach unten aus.
Wir neigen dazu alles und jeden dominieren zu wollen. Die Eltern ihre Kinder, die Vorgesetzten ihre Angestellten, die Hundehalter ihre Hunde.
Es wird befohlen, verboten und kommandiert was das Zeug hält. Geführt und geleitet aber wird nicht.
Die Ergebnisse sind teilweise erschreckend:
Kinder rebellieren gegen ihre Eltern und Lehrer, der Job macht krank an Körper Geist und Seele und Hunde werden „verhaltensauffällig"
Unseren Umgang mit der Dominanz interpretieren wir auch in das Verhalten unserer Hunde hinein.
Ein Hund der knurrt ist dominant
Ein Hund der Befehle (Kommandos) ignoriert ist dominant
Ein Hund der sein Futter verteidigt ist dominant
Ein Hund der die Pfote auflegt ist dominant
Die Aufzählung könnte noch um zahlreiche Beispiele erweitert werden.
Noch immer wird die Meinung vertreten, dass man seinem Hund zeigen muss, wer der „Rudelführer" ist. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde dies Mittels Stachelhalsbändern, Teletakt oder Tritte und Schläge versucht durchzusetzen. Der Mensch hat dem Hund vermeintlich eindrucksvoll gezeigt, wer der Chef ist.
Diese „Erziehungsmethoden" werden immer noch angewendet, sogar häufiger als man meint. Vermehrt wird wieder der so genannte Alphawurf gepredigt. Ist der Hund nicht gefügsam, wird er auf den Rücken geworfen. Dies soll dem Hund des Menschen Dominanz demonstrieren.
Das Ergebnis ist häufig dass diese Hunde zwar funktionieren, jedoch nicht aus Respekt vor ihren Haltern sondern aus Angst vor deren Strafen. Kommt der Mensch in Sichtweite, zeigen diese „dominierten" Hunde häufig ein Meideverhalten.
Ob Menschen, die solche Methoden anwenden Hund können, lasse ich mal dahingestellt.
Hier wird das Geheimnis einer guten Beziehung wieder in Härte, Unterwerfung oder Unterordnung gesucht. Hunde brauchen keine „Dominas", Hunde brauchen Persönlichkeiten!
Was genau ist denn eigentlich Dominanz und wie funktioniert sie?
Dazu gibt es eine einfache aber treffende Erklärung:
Unter Dominanz versteht man in der Biologie und Anthropologie den Zustand, dass die einen Individuen gegenüber den anderen Individuen einen hohen sozialen Status aufweisen, worauf letztere unterwürfig reagieren.
Individuum A schränkt die Rechte und Freiheiten von Individuum B ein und gesteht diese Rechte und Freiheiten sich selber zu, was von B akzeptiert wird.
Dominanz ist immer beziehungsspezifisch und ist zeit- und situationsabhängig.
Dominanz findet also von unten nach oben statt!
Wenn Hunde zu uns kommen wird immer noch gern empfohlen, den Hund erstmal ankommen zu lassen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird durch die Führungslosigkeit der Grundstein für die ersten Probleme gelegt. Wenn die Hunde dann beginnen unsere Rechte und Freiheiten einzuschränken, sind wir gern bereit diese dem Hund zuzugestehen. Wir freuen uns, dass unser Hund nun ankommt und auftaut. Regeln haben wir keine aufgestellt, diese Aufgabe übernehmen die Hunde.
Ein Beispiel:
Ein Hund aus dem Tierschutz kommt ins Haus und macht sich auf der Couch breit. Allzugern überlässt der Mensch diesem armen Wesen seinen Platz, voller Freude dass der Hund endlich ein weiches Sofa zum Ruhen hat.
Die Freude hört erst auf, wenn der Hund nunmehr seine Couch mit Knurren und Schnappen verteidigt und dem Menschen der Platz auf dem Boden bleibt.
Hier hat der Hund die Rechte und Freiheiten des Menschen für sich beansprucht und der Mensch hat es akzeptiert. Die Regeln hat der Hund aufgestellt.
Alle Hundehalter, die ein Problem mit einem s.g, dominanten Hund haben, sollten sich erst mal beruhigen. Kein Hund will sich die Weltherrschaft unter die Krallen reißen.
Hund und Mensch leben in einem Sozialverbund zusammen, in dem einer die Führungsposition einnehmen muss und dies sollte der Mensch sein. Wird diese Führungsposition ruhig, souverän und selbstbewusst wahrgenommen, vertrauen sich unsere Hunde uns an.
Eine gesunde Beziehung braucht Regeln und Grenzen innerhalb eines Handlungsspielraumes. Diese Regeln und Grenzen bedeuten keine Verschlechterung für unsere Hunde, im Gegenteil. Sie schaffen Klarheit. Diese Klarheit wiederum gibt unseren Hunden die Orientierung und auch Sicherheit, die für eine vertrauensvolle Mensch-Hund Beziehung essentiell ist.
Mit dem krampfhaften dominieren wollen unserer Hunde hindern wir uns selber daran, die wirklichen Bedürfnisse unserer Hunde zu erkennen und sie als das zu sehen was sie sind:
Hunde und so ganz anders als wir Menschen!
Nur wenn unsere Hunde uns vertrauen und uns respektieren, schließen sie sich uns an - ohne Zwang und ohne jede falsch verstandene Dominanz!
Eines aber eint die Welten von Mensch und Hund:
Respektiert werden Führungspersönlichkeiten, Menschen mit sozialer Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein. Gemieden werden Profilneurotiker, Lautsprecher oder Papageien, die alles nachplappern.
Auch hier gilt: „Erst wenn der Mensch sich ändert!"
©️Marion Höft