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Nur ein "Schlückchen"...


Alle Jahre wieder bekomme ich ab Anfang Dezember viele Anfragen, ob ich Alkohol oder Medikamente gegen die Angst des Hundes an Silvester empfehle. Meine Antwort ist jedesmal die gleiche: „Sie haben eine Hundetrainerin angerufen. Da Ihre Anfrage Auswirkungen auf die Gesundheit Ihres Hundes haben kann, wenden Sie sich bitte an Ihren Tierarzt oder Ihre Tierärztin“.


Viele Menschen aber scheuen diesen Weg und man findet Hilferufe ohne Ende in den sozialen Netzwerken. Ganz unverblümt werden die Nutzer gefragt, welche Mittel sie gegen die Silvesterangst von Hunden empfehlen. Die „Profis“ lassen es sich nicht nehmen, ihnen völlig fremden Menschen mit ihnen völlig unbekannten Hunden Ratschläge zu erteilen und bieten sogar an, vom Vorjahr übrig gebliebene Pillen zu verschicken.

Erschreckend ist für mich, dass unter den Ferndiagnoseerstellern auch viele Hundetrainer und Hundetrainerinnen zu finden sind.


Ich bin jedes Jahr aufs Neue erstaunt, wie leichtsinnig die Verabreichung diverser Medikamente bis hin zu Psychopharmaka vom heimischen Wohnzimmer aus empfohlen wird. Ob der Hund gesund ist, welches Alter oder Gewicht er hat oder ob Unverträglichkeiten vorliegen, wird nicht gefragt. Die lange Liste der möglichen Nebenwirkungen bleibt unerwähnt.


Mag sein, dass diese Medikamente bei dem eigenen Hund gegen seine Angst geholfen haben. Doch Hund ist nicht gleich Hund und Angst ist nicht gleich Angst. Bei einem anderen Hund können diese Präparate Nebenwirkungen mit ungeahnten Folgen haben. So können einige Medikamente die Angst des Hundes sogar noch steigern oder Aggressionen auslösen.

Hinzu kommt, dass bei einigen Medikamenten Tage vorher mit der Gabe begonnen werden muss, damit diese ihre Wirkung rechtzeitig erzielen können. Dies gilt auch für homöopathische Mittel.

Auch muss bedacht werden, dass man manche Medikamente nicht von jetzt auf gleich wieder absetzen darf, sondern diese langsam wieder ausgeschlichen werden müssen.


Wieviel Tage vorher sollen es denn sein, über wie viele Tage müssen die Medikamente wie abgesetzt werden? Dies muss mit dem Tierarzt abgeklärt werden, der den Hund und eventuelle Erkrankungen des Hundes kennt.


Seit einigen Jahren geistert die Empfehlung eines „Schlückchens“ Eierlikör durch das Netz. Wie bei allen Methoden, hat irgendjemand etwas erfunden und eine Schar neuer „Experten“ empfiehlt, ohne zu hinterfragen, mit. Wieviel soll ein „Schlückchen“ sein? Die einen empfehlen einen Teelöffel voll, andere schwören auf einen Esslöffel Eierlikör und wieder andere empfehlen, dem Hund alle paar Stunden ein „Schlückchen“ zu verabreichen.

Es ist erstaunlich, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, seinem Hund ein "Schlückchen" vom Silvesterschampus abzugeben und dies im Netz als Erfolgsrezept zu verbreiten.


An dieser Stelle gebe ich zu bedenken, dass Alkohol bei Hunden nicht wie bei uns über die Leber, sondern über die Lunge abgebaut wird. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der Auswirkungen auf die Hunde hat. Auch sollte man bedenken, dass die Meinungen der Tierärzte bei diesem Thema weit auseinandergehen. Die einen haben keine Einwände, wenn die Alkoholdosis gut berechnet wird. Andere wiederum bezeichnen die Verabreichung von Alkohol bei Hunden, auch in kleinen Mengen, als tödlich.


Wenn sich schon die Fachwelt nicht einig ist, wie können dann Laien einfach mal so eine umstrittene Empfehlung aussprechen? Aussagekräftige und unabhängige Studien hierzu gibt es nicht.


Für mich gilt im Zweifel Nein!


Noch ist Zeit und die Tierarztpraxen und die Praxen der Tierheilpraktiker haben geöffnet. Bitte wenden Sie sich an die wirklichen Fachleute. Sie haben ein entsprechendes Studium absolviert, eine intensive Ausbildung durchlaufen und ihr Wissen durch langjährige Erfahrung vertieft.

Wer aus der Ferne meint, ohne jegliches Hintergrundwissen über den Hund der Fragesteller und ohne fachliche Kompetenz Ratschläge erteilen zu können, handelt aus meiner Sicht unverantwortlich.


Denn eines wird bei allen Empfehlungen oder Tipps und Tricks ins Blaue hinein völlig außer Acht gelassen: es werden lediglich die Symptome der Angst bekämpft. In meiner täglichen Arbeit erlebe ich immer wieder, dass die Ursachen häufig ganz woanders liegen.

Bleibt die Ursache unerkannt und wird lediglich versucht, irgendwie die Symptome in den Griff zu bekommen, wird sich die Ursache ihren Weg ins Außen suchen. Häufig entwickeln die Hunde ungeahnte Krankheiten oder werden „aus dem Nichts“ aggressiv.


Mein Tipp: Bleiben Sie bitte ruhig und entspannt und wenn wirklich nötig, hilft vielleicht so manchen Menschen ein Schlückchen Eierlikör, um nicht in eine Panik zu verfallen, die sich am Ende häufig als völlig unbegründet herausstellt.


Ich wünsche einen guten Übergang ins neue Jahr und ein friedliches, glückliches und vor allem gesundes 2023 für Mensch und Hund

Ihre

©Marion Höft

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